Dialogforum mit dem Vorstandsvorsitzenden der HSE, Herrn Albert Filbert am 09. Mai 2011

Am Montag, den 09. Mai 2011 bot sich Schülerinnen und Schülern des beruflichen Gymnasiums der Heinrich-Emanuel-Merck-Schule Darmstadt eine einmalige Gelegenheit: Der Vorstandsvorsitzende der HSE (HEAG Südhessische Energie AG), Herr Albert Filbert, hatte uns zu einem Dialogforum zum Thema

 

 

"Energieversorgung der Zukunft in europäischer Perspektive"

eingeladen.

Im Rahmen eines Europatages an unserer Schule (wir sind seit 2010 Europaschule des Landes Hessen) haben wir 2 Stunden mit Herrn Filbert über folgende Aspekte diskutiert:

  • Techniken einer zukünftigen Energieversorgung
  • Fragen der Ethik eines zukünftigen Energieversorgungssystems
  • Politische Rahmenbedingungen des neuen Energieversorgungssystems

  

Artikel im Darmstädter Echo (10.05.2011)

Unsere Themen - Unsere Fragen

    1. Einleitung

    2. Smart Grids - Web2Energy

    3. Verantwortbarkeit der Kernenergienutzung

    4. Kostenrechnung für Atomstrom

    5. Hochspannungsleitungen, Windräder, große Photovoltaikanlagen

    6. Energiespeicher

    7. Elektroautos als Energiespeicher

    8. Energiekonzept 2050

    9. Unternehmensinteresse und Sparverhalten der Kunden

  10. Zukunft der Stromkonzerne

  11. Stromhandel und Strombörse

  12. Arbeitsplätze und Berufsaussichten

1. Einleitung

Sehr geehrter Herr Filbert,

die Heinrich-Emanuel-Merck-Schule in Darmstadt beschäftigt sich seit Ende der achtziger Jahre mit erneuerbaren Energien.

1992 wurde an unserer Schule die erste große Photovoltaikanlage (7,5 kW) in Darmstadt eingeweiht, u.a. durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden der HEAG, Herrn Blechschmidt. Am Ende der Pressekonferenz zog er einen kleinen Taschrechner mit Solarzelle aus der Westentasche und verkündete ein wenig ironisch: "Ich bin auch für Solartechnik".

Heute, knapp 20 Jahre später sitzen Schülerinnen und Schüler des beruflichen Gymnasiums der Heinrich-Emanuel-Merck-Schule Darmstadt vor Ihnen, die damals fast alle gerade mal geboren waren. Sie sind in den Jahrgangsstufen 12 und 13 einer gymnasialen Oberstufe mit beruflicher Schwerpunktbildung: Wirtschaft, Elektrotechnik, Datenverarbeitungstechnik, Ökotrophologie.

Ein ganz herzliches Dankeschön dafür, dass Sie uns diese tolle Möglichkeit angeboten haben, heute über die 

"Energieversorgung der Zukunft in europäischer Perspektive"

mit dem Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens sprechen zu dürfen, das ganz Südhessen "verantwortbar" mit Energie versorgen will.

Wir alle haben gebannt und sprachlos in den letzten Woche erlebt, was der Begriff "Verantwortung" und was der Begriff "Restrisiko" bedeutet.

Sie, sehr geehrter Herr Filbert, wurden 1998 Mitglied des Vorstandes der HEAG und 2003 Vorstandsvorsitzender. Im Jahr 2010 haben Sie angekündigt, dass Ihr Unternehmen in den nächsten 5 Jahren 1000 Millionen - also 1 Milliarde - in erneuerbare Energien investieren will.

Begonnen hat dieser Weg im April 1999 mit der Gründung der HEAG NATURpur Energie AG.

  • Könnten Sie uns kurz schildern, wie es kam, dass sich die damalige HEAG auf den Weg gemacht hat und was sich dann in diesen 12 Jahren alles verändert hat? Dabei interessieren uns besonders Ihr persönlicher Anteil an diesen Veränderungen, die Widerstände auf die Sie getroffen sind und die Hoffnungen, die Sie persönlich damit verbunden haben.

2. Smart Grid und Web2Energy

Sehr geehrter Herr Filbert,

Ihr Unternehmen plant für die neue Energiezukunft ein intelligentes Stromnetz, dass nicht mehr aus einigen wenigen Großkraftwerken besteht, sondern aus Tausenden von Kleinstkraftwerken, die das schwankende Stromangebot mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologien über das Internet steuern: Smart Grids mit Web2Energy!

In einem international besetzten Konsortium unter der Leitung der HSE werden derzeit in einem auf drei Jahre angelegten EU-Forschungsprojekt die Grundlagen entwickelt.

  • Könnten sie uns kurz schildern, wie man sich das vorstellen muss - steuern wir unsere Heizung bald per iPhone? - und was daran so revolutionär ist?
  • Und: Warum ist die HSE bundesweit, ja vielleicht sogar europaweit führend bei der Erarbeitung dieses Konzepts?

3. Verantwortbarkeit der Kernenergienutzung

Sehr geehrter Herr Filbert,

seit 40 Jahren gibt es eine leidenschaftlich geführte Debatte um die Nutzung der Kernkraft.

Die Lehren aus der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren waren: westliche Kernkraftwerke sind sicher! Das "Restrisiko" existiert eigentlich nur hypothetisch (Kalkar-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1978).

Nun erleben wir in Japan einen Albtraum ... !

  • Hat der Mensch mit dieser Technik seine Grenzen überschritten? Ist es an der Zeit, dass die Gesellschaft ihren Allmachtsanspruch über die Natur und die Technik überdenkt? 
  • Und: War es Ihrer Meinung nach ethisch vertretbar, den nachfolgenden Generationen die Aufgabe des Umgangs mit radioaktivem Abfall aufzubürden, obwohl die heutige Gesellschaft selbst nicht in der Lage ist, damit umzugehen?

4. Kostenrechnung für Atomstrom

Sehr geehrter Herr Filbert,

Atomstrom ist unschlagbar billig! Das ist immer noch das Kernargument der Atomkraft-Befürworter. Erst langsam tritt ins öffentliche Bewusstsein, wie stark der Atomstrom gesamtgesellschaftlich subventioniert wurde und wird (Endlagerproblem, eingeschränkte Versicherungspflicht usw.)

  • Wie kalkulieren Sie die realen Kosten einer KWh Atomstrom, wenn die oben genannten Formen der Subvention wegfallen würden?
  • Wie steht das im Verhältnis zu den anderen fossilen oder regenerativen Energiequellen?
  • Warum halten andere Länder (trotzdem) an der Atomkraft fest?

5. Hochspannungsleitungen, Windräder, große Photovoltaikanlagen

Sehr geehrter Herr Filbert,

immer wieder hört man von Bürgern, die sich gegen den Bau von Windrädern, großen Photovoltaikanlagen oder Hochspannungsleitungen wehren, da sie ihrer Meinung nach die Natur verunstalten: "Verspargelung der Landschaft"!

  • Wie sehen Sie die zukünftige Veränderung unserer Naturlandschaft?
  • Und wie denken Sie über die neuen Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee?

6. Energiespeicher

Sehr geehrter Herr Filbert,

um die von Windrädern oder Solaranlagen erzeugte Energie auch nachts oder in Zeiten der Windstille nutzen zu können, sind Energiespeicher nötig.

  • Gibt es schon konkrete Pläne für das Versorgungsgebiet der HSE, die überschüssige Energie mit Hilfe von Energiespeichern (z.B. Pumpspeicherkraftwerken, Gasspeicher, Batterien etc.) für Zeiten ohne Sonne oder Wind zur Verfügung zu haben.
  • Gehen in einem kalten und windstillen Januar nachts die Heizungen oder das Licht aus?

7. Elektroautos als Energiespeicher

Sehr geehrter Herr Filbert,

um überschüssige Energie zu speichern und Leistungsspitzen auszugleichen, werden verschiedene Speichertypen diskutiert. Dazu sollen auch die zukünftigen Elektroautos verwendet werden.

  • Gibt es schon Akkumulatoren, die eine außreichende Kapazität für den Fahrbetrieb besitzen und deren Lebensdauer unter dem Aspekt der Ladezyklen befriedigend ist?


Die Mobilität soll weg vom Benzinmotor auf Elektromobilität, also auf effiziente Elektromotoren umgestellt werden.

  • Haben sie schon Modelle für das Betanken der Fahrzeuge im Hinterkopf? Etwa das von der University of Delaware in USA entwickelte Vehicle2Grid System?

8. Energiekonzept 2050

Sehr geehrter Herr Filbert,

das Energiekonzept 2050 der Bundesregierung vom Oktober 2010 geht davon aus, dass eine Umstellung des Energiesystems in 40 Jahren möglich ist: 100% erneuerbare Energien!

  • Wie realistisch ist das Ihrer Meinung nach für die Bundesrepublik?
  • Und: Wie realistisch ist das für andere Länder Europas? Wir denken hier besonders an Frankreich, das bei der Stromversorgung fast vollständig auf Kernkraftwerke setzt.

9. Unternehmensinteresse und Sparverhalten der Kunden

Sehr geehrter Herr Filbert,

ein Unternehmen lebt vom Verkauf seiner Produkte, je mehr desto besser. Das Gelingen der Energiewende (vor allem in globaler Sicht) wird aber wohl auch von der Bereitschaft aller abhängen, Energie einzusparen.

  • Welches Interesse kann ein Engergieproduzent daran haben, dass sein Produkt "Energie" sparsamer verbraucht wird?
  • Müssten nicht gemeinwirtschaftlichere Unternehmensformen im Stromgeschäft Einzug halten?

10. Zukunft der Stromkonzerne

Sehr geehrter Herr Filbert,

sollten sich die Pläne einer Dezentralisierung der Energieversorgung durchsetzen, dann würden die auf die Großkraftwerke setzenden vier großen in Deutschland produzierenden Energiekonzerne (E.ON, EnBW, RWE, Vattenfall Europe) ihr Geschäftsfeld verlieren. Zugleich ballt sich dort ein erhebliches Maß an ökonomischer Macht und politischem Einfluss.

  • Sehen Sie Chancen, dass die Energiewende mit den vier großen Energiekonzernen erfolgen kann oder muss sie gegen deren erbitterten Widerstand erkämpft werden?
  • Sind Ihnen Unternehmens-Strategien der großen vier Konzerne bekannt, mit der sich diese auf die möglichen neuen Rahmenbedingungen einstellen könnten (neue Produkte, neue Geschäftsfelder etc.)?

11. Stromhandel und Strombörse

Sehr geehrter Herr Filbert,

die Strombörse in Leipzig dient der Liberalisierung und Öffnung der Strommärkte.  Teilweise wird dort der Strom drei Jahre im voraus gehandelt und verkauft.

  • Werden sich die neuen, dezentralen Formen der Stromerzeugung in dieses System der Strompreisbildung problemlos integrieren lassen?

12. Arbeitsplätze und Berufsaussichten

Sehr geehrter Herr Filbert,

für den Aufbau des neuen Energiesystems werden qualifizierte Arbeitskräfte benötigt, damit die Technologien entwickelt und installiert werden können und das Energiesystem organisiert werden kann.

  • Wie viele neue Arbeitsplätze werden Ihrer Meinung nach bei Ihnen und in der Bundesrepublik entstehen?
  • Und: Welche beruflichen Möglichkeiten sehen Sie für uns als Schülerinnen und Schüler eines beruflichen Gymnasiums in den Bereichen Wirtschaft und Technik in Ihrem Unternehmen? Was sollten wir studieren, nach dem Abitur?